Buddhismus UK
Die Buddhalehre in Kürze |
von Dr. Hans Wolfgang Schumann
Inter-konfessionelle Diskussionen sind Mode geworden und enden stets mit der Feststellung, dass alle Religionen den Frieden wollen und dass es keine Gründe gibt, dass ihre Bekenner sich befehden. Toleranz ist leicht, wenn die Ethiken der Religionen verglichen werden, aber schwer, wenn ihre Kernlehren zur Sprache kommen. Gerade dann aber hat Toleranz sich zu beweisen. – Der folgende Text könnte als Gesprächsunterlage dienen.
Die Buddhalehre in Kürze
Man spricht gemeinhin von der “Lehre” des Buddha – und benutzt damit einen nicht ganz treffenden Ausdruck. Denn “Lehre” klingt wie etwas Ertüfteltes, Ersonnenes, wie ein erfundenes Denksystem. Gerade das ist die Lehre (dharma) des Buddha aber nicht. Sie ist die Erkenntnis und Darlegung einer vorgefundenen Naturmechanik. Wie Isaac Newton die Schwerkraft nicht erfunden, sondern vorgefunden und berechenbar gemacht hat. so hat der Buddha die Gesetzmäßigkeit der Wiedergeburt erklärt und nutzbar gemacht. Nicht die Entstehung der Welt, keine Theologie beschäftigt sein Denken, sondern die naturgesetzlichen Zwänge des Daseins, mit denen die Wesen ständig konfrontiert sind.
Der Buddha unterteilt seine Lehre in Vier Wahrheiten.
Neben diesen positiv formulierten Weisungen gibt es für den Laienbekenner fünf Enthaltungsregeln: Nicht töten, nicht stehlen, Unkeuschheit meiden, nicht lügen, sich nicht berauschen. Abgesehen von den angedrohten weltlichen Strafen bewirken Verstöße gegen diese Regeln stets auch karmische Selbstschädigung in Form von niederer Wiedergeburt. Die meisten Menschen werden viele Wiedergeburten brauchen, um alle Hindernisse auf dem Weg zur Erlösung zu überwinden.
Wie sieht die buddhistische Erlösung aus?
Sie besteht in der Aufhebung von Gier, Hass und Unwissen und wird bezeichnet als Verlöschen (Nirvana). Sie hat zwei Phasen. Im Nirvana zu Lebzeiten weiß sich der Verloschene frei vom Zwang zur Wiedergeburt; im Nachtodlichen Nirvana (parinirvana) ist er als physisches Wesen aufgehoben. Das Parinirvana lässt sich weder als ein Sein noch als ein Nichtsein bestimmen. Es ist ein Befinden jenseits aller Beschreibung, ein Zustand vor dem Worte versagen.
Oft wird die Lehre des Buddha zu flach ausgelegt, so als ziele sie nicht ab auf endgültige Erlösung, sondern nur auf höhere Wiedergeburt oder gar Wellness im Hier und Jetzt. Sie ist jedoch sehr viel mehr, nämlich eine tiefgründige Welterkenntnis.
Nirgendwo in der Welt, so der Buddha, gibt es ein beharrendes Sein: Alles ist im Fluss. Die Wesen sind davon keine Ausnahme; sie besitzen keinen dauerhaften Kern, keine ewige Seele (atman), sondern existieren als ein Werden. Das ständige Anderswerden ist das, was wir Leben nennen. Hinter der aus fünf vergänglichen Komponenten (skandha) bestehenden empirischen Person ist nichts von Dauer über den Tod hinaus. In Opposition zum allgemeinen indischen Seelenglauben stellte der Buddha eine An-atma-Lehre, eine “Nicht-Seelenlehre” auf. Die Vorsilbe a- (hier mit dem Bindekonsonanten -n-) verneint im Sanskrit und Pali den ihr folgenden Begriff oder kehrt seine Bedeutung um in sein Gegenteil. Gleichbedeutend mit dem Adjektiv an-atma (seelenlos) benutzt der Buddhismus das Wort sunya (leer).
Die Nichtexistenz einer ewigen Seele, so der Buddha weiter, die “Leerheit” der Person, ist für uns ein Segen, denn eine überwandernde Seele wäre infolge ihrer Ewigkeit unerlösbar und nie endendem Leiden ausgesetzt. Der Glaube an einen unzerstörbaren Atman ist eine Narrenlehre (baladharma). Gerade die Nichtexistenz einer dauerhaften Seele ist es, die das Verlöschen (Nirvana) zur Freiheit vom Leiden möglich macht.
Wie zu erwarten stieß die An-atma-, die Nicht-Seelenlehre des Buddha weitgehend auf Unverständnis und Widerspruch. Die Vorstellung, dass eine ewige Seele den Tod ihres Trägers überdauere und weiterwandere in eine neue Existenzform, war vielen zu lieb und zu tröstlich, um sie aufzugeben. Dass ein Lehrer wie der Buddha die Wiedergeburt anerkennen und zugleich die Existenz einer den Tod überdauernden Seele (atman) bestreiten könnte, erschien jedem, der zum ersten Mal davon hörte, widersinnig und lächerlich.
Und wie vollzieht sich, nach der Erkenntnis des Buddha, die Wiedergeburt ohne überwandernde Seele? Die Verbindung zwischen den Daseinsformen einer Wiedergeburtenkette stellt sich her durch Kausalität oder Konditionismus: Vorexistenz a bedingt die Nachexistenz b. Die beiden Existenzen sind nicht voll identisch (weil ein Seelenband fehlt), sie sind aber wie Eltern und Kinder engstens verwandt. Der Urheber eines Tuns (karmari) und der Erleider oder Nutznießer der daraus entstehenden karmischen Folgen sind weder derselbe noch ein anderer. An die Stelle des indischen Glaubens an ein Wandern des ewigen Atman ist im Buddhismus die Kausalität getreten. Die Lehre des Buddha ist ein dynamistischer Pluralismus und steht, da sie sich auf ein Denken im Immanenzbereich beschränkt, zu den Naturwissenschaften nicht im Widerspruch.
Die buddhistische Verneinung einer ewigen Seele, eines Atman, bedeutet nicht, es gebe kein Ich. Jeder hat ein Ich oder Selbst, aber dieses ist nur ein Etikett, das jeder seiner eigenen psycho-physischen Person aufklebt, um von sich selbst sprechen zu können. Auch der Buddha sprach oft ganz unbefangen von sich in der Ich-Form. Beim Tod eines Wesens verstummt sein Sprechen vom Ich und ist gegenstandslos geworden. Die Anatma-Lehre des Buddha bestreitet nicht jedermanns zeitbegrenztes Ich, sondern die Existenz eines ewigen Atman, einer unsterblichen Seele.
Gibt es im frühen Buddhismus einen Kult?
Es gibt den Brauch, vor Bildnissen des Buddha seiner zu gedenken, Blumen niederzulegen und Räucherstäbchen zu entzünden, zudem gibt es die Meditation über die Inhalte der Buddhalehre – aber es gibt keinen Gottesdienst und kein Gebet. An wen sollte sich das Gebet richten? Die Buddhas der Vergangenheit sind verloschen und nicht mehr ansprechbar; sie können keine Wünsche erfüllen. Die Ereignisse in unserem Leben sind entweder nach Naturgesetzen ablaufende Vorgänge, wie Geburt und Tod, oder privatrechtliche Entscheidungen, wie Namensgebung und Heirat. Sie werden besinnlichfeierlich begangen, bedürfen jedoch keiner religiösen Weihe.
Die Nüchternheit der im 6./5. Jh. v. Chr. vom historischen Buddha gelehrten “Lehre der Alten” (Theravada), führte vom 1. Jh. v. Ch. an zur Bildung einer neuen buddhistischen Schule, die sich “Großes Fahrzeug” (Mahayana) über den Leidensstrom nennt. Sie anerkennt nominell die Lehre des geschichtlichen Buddha, durchbricht aber dessen Beschränkung auf ein Denken in der Immanenz. Sie nimmt die Existenz transzendenter, dem Normalmenschen unsichtbarer Buddhas an, von denen zwei, der im Westen und der im Osten, Herren sind über Zwischenparadiese, in denen man wiedergeboren werden kann, um dort, ungestört von Verlockungen, die Leidensursachen Gier, Hass und Unwissen zu vernichten. Wer dies verwirklicht hat, dem ist Nirvana, Verlöschen zuteil geworden.
Daneben kennt der Mahayana-Buddhismus Bodhisattvas, das sind Wesen, die durch ihre innere Vollendung den Naturgesetzen enthoben und zum Verlöschen (Nirvana) reif sind, aus Mitleid mit den Weltwesen aber freiwillig in der Welt verbleiben, um den leidenden Wesen Erlösungsbeistand zu leisten. Sie kann man um Hilfe anrufen.
Der Theravada-Buddhismus, aus Indien stammend, ist heute in Ceylon (Sri Lanka) und Südostasien (Myanmar, Thailand, Laos und Kambodja) zuhause; der Mahayana-Buddhismus hat eine Heimat gefunden in Tibet, Bhutan, China, der Mongolei, Korea und Japan. Alle buddhistischen Schulen Asiens haben Bekenner auch in Europa und den USA. |
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